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U-Strab / Stadtbahntunnel / Kombilösung Karlsruhe

-- Einsturz des Stadtarchivs in Köln --

Einsturz des Stadtarchivs in Köln

Am Dienstag, den 3. März 2009 kurz vor 14:00 stürzt das Stadtarchiv Kölns zusammen mit zwei Nachbarhäusern ein. Die ursache dafür hängt sehr wahrscheinlich mit dem Bau der Nord-Süd-Stadtbahn direkt vor dem Haus zusammen, ein der Karlsruher Kombilösung ähnliches Projekt. Daher möchte ich an dieser Stelle auf dieses Unglück und Parallelen bzw. Unterschiede zu Karlsruhe eingehen.

Unglücksort

Der Unglücksort bei Google-Maps:
Von unten nach oben zieht sich die Severinstraße durch den Ausschnitt, die hier in den Waidmarkt übergeht.
Rechts der Straße direkt an dieser das eingestürzte Hauptgebäude des Archivs. Dahinter flache Nebengebäude.
Oberhalb und unterhalb anschließend die teilweise mit eingestürzten Wohngebäude, das unterhalb in das Dach des nächsten Gebäudes integriert. Im oberhalb anschließenden wohnten auch die beiden vermutlichen Opfer.
Im Straßenbereich erkennt man die Baustelle für das Gleiswechselbauwerk Waidmarkt, Kopie des Textes zur Zeit des Unglücks:

Aktuelle Baustelleninfos (2. bis 9. März 2009)

Am Waidmarkt, der sich zwischen den Haltestellen Heumarkt und Severinstraße befindet, wird ein Gleiswechsel gebaut, der bei Störungen im Tunnelbereich einen Wechsel von einer in die andere Röhre und somit Kurzfahrten nur bis zur Haltestelle Severinstraße oder Heumarkt ermöglicht. Außerdem wird an dieser Stelle ein Notausgang eingerichtet.

Derzeitige Arbeiten:

- Unterhalb der Bauwerksdecke und der Zwischendecke wird das Erdreich bis in eine Tiefe von 22 Metern unter Geländeoberkante ausgehoben.
- Mit Fortschreiten des Aushubs werden die im Bauwerk verlaufenden Tunnelröhren weiter abgebrochen.
- Es finden Bewehrungsarbeiten für Wände oberhalb der Zwischendecke statt.
- Erste Abschnitte der Bodenplatte werden bewehrt.

Kommende Arbeiten:

Nach weiterem Aushub werden die übrigen Abschnitte der Bodenplatte und anschließend die Wände der späteren Fahrebene gebaut.

Abgeschlossene Arbeiten:

- Es wurden die sogenannten Schlitzwände errichtet. Diese führen bis zu 45 Meter tief ins Erdreich und umschließen die Baugrube. So kann innerhalb der Baugrube der Grundwasserspiegel abgesenkt werden. Nachlaufendes Wasser wird durch Brunnen abgepumpt und über die „blauen Rohre“ in den Rhein abgeleitet.
- Die für den Bau notwendige Umlegung von Versorgungsleitungen (Gas, Wasser, Strom, Telefon etc.) ist abgeschlossen, ebenso wurden die archäologischen Ausgrabungen beendet.
- Um die Baugrube herum befindliche Gebäude wurden durch verschiedene Maßnahmen gesichert.
- Die beiden Tunnelbohrmaschinen sind durch die mit Erdreich gefüllte Baugrube hindurch gefahren.
- Unterhalb der Straßenabdeckung wurde bereits die Bauwerksdecke und die Zwischendecke hergestellt.

Verkehrssituation:

Die Baustelle befindet sich an der Oberfläche im „bauzeitlichen Endzustand“. Das heißt, dass die Verkehrssituation im derzeitigen Zustand bestehen bleibt, bis die Abdeckung nach Fertigstellung des Rohbaus des Gleiswechsels am Waidmarkt wieder zurückgebaut wird, um die Oberfläche wieder herzustellen.

Vermutlicher Unglückshergang

Stand 6.3. 15:00:
Arbeiter waren mit dem weiteren Ausbaggern im Bauwerk beschäftigt. Die Endtiefe war nach der alten Beschreibung wohl nahezu erreicht, das Betonieren der endgültigen Sohle stand wohl bevor.
Sie bemerkten dabei, dass Erde und Wasser eindrangen, sie flüchteten und warnten die Personen im Archiv, die vermutlich alle das Gebäude verlassen konnten. Die in das Gleiswechselbauwerk eindringende Erde entzog dem Archiv den Baugrund, es stürzte zusammen und riss die beiden Nachbargebäude größtenteils mit.
Aus diversen Bildern kann man heraus lesen, dass der Einbruch ins Bauwerk vermutlich an einer Ecke war, also vielleicht in der Nähe des Anschlusses von Röhre und Gleiswechselbauwerk selbst. Vielleicht eine Schwachstelle dort, da die Wand dort nicht so tief verankert ist als an anderen Stellen, und die nach Abbaggern der Erde drinnen den nötigen Gegendruck zu Erde und Wasser draußen verlor und nachgab?

Oder ein "hydraulischer Grundbruch", d.h. Wasser bricht von außen unter der Wand durch und reißt Unmengen an Erde mit. Dafür spräche auch, dass offenbar ungewöhnlich viel Grundwasser von einer von drei Pumpen abgepumpt werden musste.

Das Unglück passierte relativ schnell und plötzlich. Die lange vorher entdeckten Setzungsrisse am Gebäude des Archivs und anderen Gebäuden dürften mit dem Einsturz höchstwahrscheinlich nichts zu tun gehabt haben und waren höchstwahrscheinlich nicht die Ursache des Einsturzes, noch haben sie was zur Schwere des Unglücks beigetragen.

SZ vom 14.3.09:
Das Unglück am 3. März geschah genau zu dem Zeitpunkt, als die Baugrube offenbar am verwundbarsten war: Am Tag des Unglücks hatten Arbeiter der hessischen Baufirma Lauber den letzten Kies und Sand aus der Grube gebaggert und die Endtiefe von 28 Metern erreicht. "Am nächsten Tag wäre der Eisenflechter gekommen", sagte Geschäftsführer Christoph Lauber der SZ. Der Boden sollte am 6. März betoniert werden, was die Grube stabilisiert hätte. "Das war natürlich der kritischste Zustand in der Bauphase", so Lauber. Derzeit gilt als wahrscheinliche Ursache ein Grundbruch, wonach Wasser und Sand von unten die Baugrube innerhalb von nur drei Minuten geflutet haben. Auch Mängel in den Seitenwänden sind denkbar.

SZ vom 16.3.09:
Wie am Sonntag bekannt wurde, pumpte die Arbeitsgemeinschaft aus Bilfinger Berger, Wayss & Freytag sowie Züblin am Unglücksort deutlich mehr Grundwasser aus der Baugrube als erlaubt. Statt den genehmigten vier seien 15 Brunnen gegraben worden, sagte die Kölner Umweltdezernentin Marlis Bredehorst (Grüne). Seit Dezember seien "tendenziell mehr als die erlaubten 125 Liter pro Sekunde" abgepumpt worden, Mitte Februar an einem Tag sogar 210 Liter pro Sekunde. "Das hätte uns angezeigt werden müssen", sagte Bredehorst. Die wasserrechtliche Erlaubnis der Baustelle am Waidmarkt, erteilt von der Stadt Köln, wäre dann automatisch erloschen.

ksta vom 15.3.09:
Ob das so ist und ob das Unglück im Zusammenhang mit den zusätzlichen Brunnen und den abgepumpten Wassermengen steht, darüber wollten gestern weder Bredehorst noch KVB-Vorstand Walter Reinarz spekulieren: „Das wird jetzt ein unabhängiger Sachverständiger prüfen“, so Reinarz.
Von den Verstößen gegen die Auflagen der so genannten „wasserrechtlichen Erlaubnis“ wissen Stadt und KVB nach eigenen Angaben seit vergangenen Donnerstag. Bredehorst hatte sich, nachdem sie im „Kölner Stadt-Anzeiger“ von möglichen Problemen mit der Grundwasserhaltung gelesen hatte, von der zuständigen Arbeitsgemeinschaft (Arge) unter Federführung der Bilfinger Berger AG die „Brunnen-Tagebücher“ kommen lassen. Daraus geht laut Bredehorst hervor, dass die Firmen am Waidmarkt statt der genehmigten vier zuletzt 15 Brunnen in Betrieb hatten - und dass statt der erlaubten 450 Kubikmeter pro Stunde bis zu 750 Kubikmeter (am 21. Februar) abgepumpt wurden.

Ging man bisher tendentiell vom Grundbruch aus, kommen in jüngster Zeit auch Zweifel am Zustand der Schlitzwand auf: ksta vom 27.10.2009.

Nachdem ein Jahr nahc dem Unglück immer mehr Details über nicht nur einfachfem fahrlässigen Pfusch am Bau, sondern groß angelegtem Betrug bei Bewehrung und Beton ans Tageslicht kommen, wir die Freilegung der Wand immer interessanter. AN Grundbruch glaube ich kaum noch ...

Vergleich Bauverfahren Köln und Karlsruhe

In beiden Städten wird der eigentliche Tunnel im Schildvortrieb größtenteils gebohrt.
In Karlsruhe davon ausgenommen ist der kürzere Südabzweig, der wird zwischen Marktplatz und Ettlinger Tor bergmännisch und weiter südlich offen gebaut.
In Köln sind die zwei eingleisige Röhren bereits fertig gebohrt, in Karlsruhe ist eine zweigleisige Röhre geplant.

In beiden Städten besteht der Baugrund aus lockerem Material, Sand und Kies hauptsächlich, im Grundwasser, kein festes Gestein.

In Karlsruhe soll nur unter Straßen gebaut werden, die Höhe der Schienenoberkante liegt in den Haltestellen in der Regel rund 13 Meter unter der Erdoberfläche, am Ettlinger Tor wegen der Kriegsstraße 14 Meter.
In Köln werden teilweise auch Häuser unterfahren. Die Gleise liegen tiefer: ca. 20 bis 28,5 Meter.
Am Unglücksort wird noch kein Gebäude unterfahren, alle Bauwerke liegen noch im Straßenbereich. Erst weiter nördlich schwenkt die Trasse unter Gebäude, deswegen liegt sie hier schon relativ tief.

In beiden Städten werden Haltestellen und andere Bauwerke hauptsächlich in der (Halb-)Deckelbauweise hergestellt.
In Karlsruhe werden die Wände als überschnittene Bohrpfahlwand gebaut, s.a. Webseite der Kombilösung, in Köln dagegen als Schlitzwand, s.a. Webseite der Nord-Süd-Stadtbahn.
Die Kölner Wände reichen bis zu 45 Meter tief, bis sie auf eine weitgehend undurchlässige Schicht treffen, am Unglücksort offenbar 37 Meter tief. Die Sohle wird erst nach dem Ausbaggern eingebracht. Bis dahin wird von unten einfließendes Grundwasser abgepumpt.
In Karlsruhe reichen die Wände rund 6 Meter tiefer als die Schienen. Es wird vor dem Ausbaggern eine Injektionssohle eingebracht, da man keine halbwegs dichte Schicht erreichen kann.
Die Haltestellen in Köln liegen meistens mit Mittelbahnsteigen zwischen den Tunnelröhren, die Verbindungen zwischen Haltestellen und Röhren werden unter Vereisung mit Querschlägen hergestellt. Während das Haltestellenbauwerk unter der Straße liegt, liegen die Röhren tw. unter den Gebäuden.
In Karlsruhe fährt die Tunnelbohrmaschine durch das Haltestellenbauwerk, das breiter als die Röhre ist. Es gibt Außenbahnsteige.
In Abweichung zu den meisten Kölner Haltestellen fuhr auch in Köln die Tunnelbohrmaschine durch das künftige Gleiswechselbauwerk (und durch die restlichen Haltestellen).

Interessant:
Offenbar war auch in Köln ein dem Karlsruher Verfahren ähnlicheres Verfahren geplant. Bloß wurde es bei der Ausschreibung in ein kostengünstigeres, angebblich gleich sicheres Verfahren geändert:
ksta vom 17.3.09 und SZ. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete vorab, ein Gutachten des Aachener Hochschulinstituts für Geotechnik im Bauwesen habe vor der Gefährdung von Menschenleben gewarnt. Wegen unstabilen Baugrunds und hohen Grundwasserdrucks seien die Gutachter Ende September 2008 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bauschlitzwände an den U-Bahn-Haltestellen vier Meter tiefer in der Erdschicht verankert sein müssten als in der Ausschreibung vorgesehen.

Und auch in Amsterdam gab es 2008 schon eine beinahe-Katastrophe: Um 18.45 Uhr sahen die Arbeiter unten in der Baugrube das Wasser aus der Wand rinnen, ...

Risikovergleich

Vergleicht man die Bauweisen von Waidmarkt und Karlsruher Haltestellen, sind es drei Unterschiede:
Schlitzwand statt Bohrpfähle
andere Reihenfolge Ausbaggern / Sohle
Tiefe 28 statt 13 Meter

Beide Bauverfahren dürften gleichermaßen anerkannte Bauverfahren sein.
Es ist davon auszugehen, dass auch am Waidmarkt die Belastung von der Seite korrekt berechnet wurde.
Am Waidmarkt fehlte noch die Sohle, dafür war schon eine Zwischendecke drin. Die Wand reicht am Waidmarkt nach den im Netz gefundenen Angaben noch rund 9 Meter tiefer, war also eigentlich noch ausreichend tief verankert, um die noch fehlende Sohle auszugleichen. Damit dürften trotz größerer Tiefe wegen der Zwischendecke die "Höhen ohne inneren Gegendruck" zwischen Karlsruhe und Köln durchaus vergleichbar sein.
Es passierte offenbar zum einen kurz vor Erreichen der Solltiefe, zum anderen nahe der Bauwerksecke.
Womöglich war entweder die Nähe zum Anschluss zwischen Röhre und Bauwerk entscheidend, Schwachstelle dort?
Oder die sinkende Gegenlast durch das Ausbaggern, begünstigt durch das auflagenwidrige Abpumpen von zu viel Grundwasser.
Genau wird man es erst wissen, wenn man in paar Monatem das eingedrungene Material wegbaggern und sich die Schlitzwand genauer anschauen kann.
... wobei ein Jahr später und nach Bekanntwerden des ganzen Pfusches und Betrugs die Wand selbst als Ursache immer wahrscheinlicher wird ...

Bislang drängt sich nichts auf, was eindeutig dafür spräche, dass das Risiko in Karlsruhe beim Vergleich mit Köln signifikant kleiner wäre.
Wäre eine Schwachstelle am Eintritt der Röhre in das Bauwerk entscheidend gewesen, ist die Tiefenlage nebensächlich und sagt nur was über die Größe des entstehenden Kraters aus. Auch in Karlsruhe durchbricht der Bohrer die fertige Wand und sorgt so für eine Schwachstelle.
Im Falle des hydraulischen Grundbruchs wäre zwar wegen der anderen Reihenfolge von Betonieren der Sohle und Ausbaggern des Bauwerks das Risiko vordergründig niedriger. Allerdings läge hier die Ursache vorrangig beim Verstoß gegen Auflagen (zu viel Wasser abgepumpt) oder bei falscher Berechnung (Grundwasser unterschätzt. Bzw. beim "Szenario Wandbruch" Schwachstelle Übergang unterschätzt). Das heßt dann "nur", dass das Unglück SO nicht möglich ist aber ANDERS, denn das Bauunternehmen auch uns Karlsruher "beschummeln" aus Kostendruck und ein Auge zudrücken bei Auflagen und Vorschriften, das kann hier genauso gut passieren und dann womöglich ähnliche Folgen haben.
Das Betonieren der Sohle wurde in Karlsruhe übrigens nahe des Ettlinger Tors simuliert bzw. auf erreichbare Stabilität geprüft. Von den Ergebnissen des Tests hat man bishe rnichts gehört ... Hmmm ...

Internationaler Vergleich

Für den internationalen Risikovergleich ist das Papier „Tunnel Code of Practice“ interessant:
Es listet weltweit 17 Tunneleinstürze beim Bau auf über 14 Jahre, davon 7 in Europa.
Kein Fall ist dabei mit dem anderen direkt vergleichbar. Aber es passierte dennoch ein Unglück. Dies widerlegt das Argument "Bei uns ist dies oder jenes anderes, daher kann es SO nicht bei uns passieren." Stimmt. SO nicht, aber eben ein wenig anders durchaus ...

Leserbriefe

Zur Veröffentlichung in den BNN reichte ich folgenden Leserbrief ein:

Zu "U-Strab nicht infrage gestellt", "Andere Baustelle" etc. vom 5.3.09

Genau abwägen!

In Köln stürzt das Archiv ein, der U-Bahn-Bau dort ist mit hoher Wahrscheinlichkeit daran beteiligt. Nun betont man schnell, hier in Karlsruhe si alles anders als in Köln: dort tiefer, anderes Bauverfahren, unter Häusern etc. In der Tat vermindert die geringere Tiefe die Risiken hier. Vermindert, aber nicht weggezaubert! Im Internet findet sich der "Tunnel code of practice". Mit dem einleitenden Satz "Kein anderer Bereich des Bauwesens ist seit Beginn der 1990er-Jahre so massiv von Großschäden betroffen wie der Tunnelbau." wird darin eine Liste mit 17 Einstürzen in 14 Jahren weltweit vorgestellt, jedes zweite Jahr einer in Europa. Jeder Vorfall anders als andernorts, alles absolut einmalig, geholfen hat diese Unvergleichbarkeit aber nichsts: Es passierte wieder.

Ja, das Leben ist immer mit Risiken verbunden. Viele Risiken nimmt man in Kauf, weil der Nutzen der Technik für viele ungleich höher wiegt als das Risiko. Es wäre daher sicher falsch, Technik generell in Frage zu stellen. Aber trotzdem sollte man angesichts eines solchen Unglücks vor Beginn eines ähnlichen Projekts noch mal genau die Frage prüfen, ob Nutzen und Risiken in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen.

In Karlsruhes Fußgängerzone fahren Bahnen. Viele andere Städte beweisen, dass das bestens funktioniert und so gewünscht ist, in Frankreich und anderen Ländern wird das sogar genau so neu gebaut. In Karlsuhe sind es aber recht viele und lange Bahnen geworden, eine Entlastung wäre gut. Nur zum Entlasten braucht man aber keinen Tunnel. Der Tunnel ist nur dann nötig, wenn man entweder eine völlig straßenbahnfreie Fußgängerzone oder eine deutliche Kapazitätserhöhung mit Tunnel UND Bahnen oben möchte. Der Tunnel alleine bringt keine wesentlich höhere Kapazität, er steht einem flexiblen und kundenfreundlichen ÖV sogar eher im Weg. Es fährt ja auch unter der Kaiserstraße eine Linie weniger als heute oben. Kurzum: die U-Strab, so wie sie derzeit geplant ist, hat nur einen schwachen verkehrlichen Nutzen, offiziell noch mit einem vergleichsweise mageren Faktor von 1,19 berechnet, und sie ist hauptsächlich ein städtebauliches Projekt: Ein ungestörtes Flanieren soll ermöglicht werden.

Es gibt unbestritten viele Tunnelprojekte mit großem verkehrlichen Nutzen. In den großen Metropolen ginge es gar nicht ohne S- und U-Bahn-Tunnel. Solche Projekte in Frage zu stellen, wäre Unsinn. Aber in Karlsruhe? Muss man für ein schöneres Flanieren wirklich die Risiken bei Bau und Betrieb eingehen? Wer könnte 2020 noch ruhigen Gewissens in einem der neuen Cafés mitten auf der Kaiserstraße einen Kaffee trinken, wenn sowas wie in Köln auch hier passieren würde? Reichen nicht auch oberirdische Entlastungen statt Radikalentfernung der Bahnen und das Café um's Eck, wo es sich sowieso viel gemütlicher sitzt? Solche Fragen sind berechtigt und müssen erlaubt sein.

Erschienen ist am 14.3.2009 folgender Leserbrief, der mir mit "Das ist die U-Strab in Karlsruhe, wo sie im Grunde doch nicht notwendig ist, wirklich nicht wert." auch aus dem herzen spricht:

Untertunnelung birgt Risiken

Ich stimmte seinerzeit für die U-Strab. Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs wegen der U-Bahn-Bauarbeiten gibt mir allerdings sehr zu denken. Unser Oberbürgermeister Fenrich verkündet, dass so etwas bei uns nicht passieren könnte. Woher weiß er das zwei Tage nach dem Kölner Unglück so genau? Gelten in Köln andere Bauvorschriften oder sind dort die unfähigeren Ingenieure am Werk? Wohl kaum – es hat sich nur wieder einmal gezeigt, dass es bei der Untertunnelung urbaner Gebiete zu nicht vorhersehbaren und unabwägbaren Risiken kommen kann, die Menschen und andere Güter (hier unersetzbare Dokumente im Stadtarchiv) schädigen und gefährden können. Das ist die U-Strab in Karlsruhe, wo sie im Grunde doch nicht notwendig ist, wirklich nicht wert. Noch ist es nicht zu spät, umzudenken und umzukehren. Nein, heute würde ich nicht mehr für die U-Strab stimmen.
H. S.

Schramma: "Das kann nochmal passieren"

Am Mittwochvormittag besuchte auch Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma die Unglücksstelle. Er hatte seinen Urlaub in Österreich abgebrochen, nachdem ihn die Nachricht erreicht hatte. Schramma sagte im ARD-Morgenmagazin über einen Weiterbau der Kölner U-Bahn: "Ich halte das fast für unverantwortlich." Es müsse grundsätzlich überprüft werden, ob man in Zukunft in bewohnten Städten U-Bahn-Bauten in einem solchen Ausmaß durchführen könne und solle. "Es ist ja nicht das einzige Haus, das Risse und Schäden zeigt." Gegenüber WDR.de kündigte er an, dass der gesamte U-Bahn-Bau in Köln noch einmal genau untersucht werden müsse. Es sei nicht auszuschließen, dass "so etwas noch einmal passiert", so Schramma.

Schlussfolgerung

In meinen Einwendungen zur Planfeststellung und auf meinen anderen Seiten kann man detailiert nachlesen, warum ich den verkehrlichen Nutzen der Kombilösung für nicht wirklich gegeben halte. Einen Nutzen hat eher die "Konkurrenz" Auto, weil an den großen Knoten weniger Bahnen "im Weg" sind. Meine Schlussfolgerung daraus:
Der Hauptnutzen "Flanieren" ist ein solches Risiko nicht wert, ebenso kann er auch das Risiko beim Betrieb durch die schlechteren Selbstrettungsmöglichkeiten insbesondere für Rollstuhlfahrer nicht aufwiegen.
Man sollte auf das Projekt Stadtbahntunnel verzichten und nur eine Entlastung via Kriegsstraße, zweite Rampe, besseres Liniennetz etc. realisieren und ansonsten die hier leicht gestörte, in anderen Städten aber weiterhin gelebte friedliche Koexistenz zwischen Bahnen und Fußgängern wieder herstellen.

SZ: Warum? Aus demselben Grund, warum in Köln und anderswo ein immer gewaltigeres Verkehrssystem als öffentlicher Raum im Untergrund entsteht: Weil der oberirdische Lebensraum privatisiert und bevorzugt dem Individualverkehr in Form von breiten Straßen zugesprochen wird.

Skizze aus einer Monitor-Sendung vom 12.3.09

Skizze mit Lage von Archiv zur Baugrube, Quelle: Monitor-Sendung 12.3.09

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