fairkehr 5/2000: Comeback der Tram
Comeback der Tram
In Bremerhaven hat ein kleiner VCD-Kreisverband eine große
Diskussion angestoßen. Die 1982 abgeschaffte Straßenbahn soll
wiederbelebt werden. Die Idee haben die Aktiven geschickt im Kommunalwahlkampf
1998 platziert.
Beinahe zwanzig Jahre "danach" erinnert nur noch wenig an die Bremerhavener
Straßenbahn. Hier und da ein paar alte Gleise im Asphalt - sonst
sind nur Fotos und Berichte vom 1982 endgültig stillgelegten Straßenbahn-Netz
übrig geblieben.
Doch wie in Würzburg oder Saarbrücken könnte es auch
in der Weserstadt demnächst eine Wiedergeburt für das umweltfreundliche
Verkehrsmittel geben: Zumindest wenn sich Idee und Konzept des örtlichen
VCD und des "Nord-Süd-Forums Bremerhaven" durchsetzen.
"Heute ist der ÖPNV in unserer Stadt schlicht ein Restverkehrsmittel.
Busse fahren für die, die sich kein Auto leisten können oder
die zu jung bzw. zu alt zum Selberfahren sind", sagt Jens Volkmann. Er
und sein Bruder Axel haben vor zwei Jahren für den VCD Bremerhaven
die Straßenbahn-Kampagne initiiert.
Kurz vor den Stadtverordnetenwahlen 1998 brachten sie die Broschüre
"Straßenbahn für Bremerhaven" heraus; eine reich bebilderte
Diskussionsgrundlage für die Wiedereinführung der Straßenbahn.
"Die zentrale Forderung lautete", so Jens Volkmann, "ein Gutachten in Auftrag
zu geben, das Machbarkeit und Kosten eines Straßenbahn-Kernnetzes
untersuchen sollte." Die beiden VCD-Aktiven machten die Straßenbahn
zu einem Politikum: Bündnis 90/ Grüne und SPD unterstützten
den Vorstoß ebenso wie die CDU; die bevorstehenden Wahlen erwiesen
sich als gut gewählter Zeitpunkt.
Eine Frage des Geldes
Doch es scheint, als ob zu viele bürokratische, vor allem aber finanzielle
Hürden dem Projekt Straßenbahn im Weg stehen könnten. Axel
und Jens Volkmann waren in ihrer Broschüre mit Bezug auf das Bremer
ÖPNV-Gesetz davon ausgegangen, dass die nötigen Investitionen
zu neunzig Prozent aus Landes- und Bundesförderung finanziert werden
könnten. Demnach würden auf die Stadt Bremerhaven lediglich 40
Millionen Mark - verteilt auf mehrere Jahre - entfallen, "das könnte
sich die Stadt leisten", meint Jens Volkmann.
Im Stadtplanungsamt rechnet man jedoch anders. "Im Bundesland Bremen
gibt es viele Sonderregelungen, auch im ÖPNV-Bereich", sagt Dr. Volker
Gudehus, Mitarbeiter des Planungsamtes. Beide Städte hätten sich
darauf geeinigt, die den Ländern zustehenden Mittel nach einem festen,
einwohnerbezogenen Schlüssel aufzuteilen. Auf Bremerhaven entfallen
jährlich knapp 20 Prozent. Für neue Busspuren oder Wartehäuschen
reichten die jährlichen vier Millionen Mark allemal.
Die großen Investitionen finden eher in der Landeshauptstadt
Bremen statt. "Das Straßenbahn-Netz Bremens wird derzeit erweitert,
für einen dreistelligen Millionenbetrag", weiß Jens Volkmann.
Bliebe für Bremerhaven noch die Hoffnung auf Mittel nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz
(GVFG). Doch auch hier gibt es Bedenken. "Wir stünden sofort wieder
in Konkurrenz zu Bremen, sagt Volker Gudehus.
Das 1998 in Auftrag gegebene Gutachten wird im November dem Bauausschuss
der Stadtverordnetenversammlung vorgelegt. Schon bei der Präsentation
des Zwischenberichtes zeichneten sich weitere Schwierigkeiten ab: Die Straßenbahn
solle nicht durch die Fußgängerzone geführt werden, forderte
die Mehrheit der Ausschussmitglieder.
Damit nicht genug, wurde während des Prüfverfahrens auch deutlich,
dass nicht überall entlang der ausgewählten Strecken genügend
Platz für einen eigenen Bahnkörper ist. Der jedoch ist unbedingte
Voraussetzung, um in den Genuss der Bundesmittel nach GVFG zu kommen.
Die seit Jahren sinkenden Fahrgastzahlen des Bremerhavener ÖPNV
verdeutlichen den Handlungsdruck: 1996 beförderte die Verkehrsgesellschaft
Bremerhaven (VGB) 13,5 Millionen Menschen, das waren nur noch halb so viele
wie 1975.
Die Straßenbahn könnte die entscheidende Wende bringen.
Bisher jedoch zeichne sich die Stadtpolitik über Bekenntnisse hinaus
eher durch Passivität aus, erkennbare Vorstöße, dem Land
zusätzliches Geld für eine Investition abzuhandeln, gebe es nicht,
stellt Jens Volkmann fest.
Bleibt als weitere Möglichkeit der Bürgerentscheid. Der Blick
in die Geschichte könnte dafür Mut machen: Als es um die Einstellung
der letzten Straßenbahn-Linie ging, gründete sich in Bremerhaven
eine Bürgerinitiative, die mehr als 20000 Unterschriften für
den Erhalt der Bahn sammelte.
Gudrun Giese
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