S-Bahn in Bremerhaven S. 9 vom 18.2.2001
"Gute Struktur für die Schiene"
Gutachter: Straßenbahn-Wiedereinführung realistisch
Von Dirk Bliedtner
Bremerhaven. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD),
Kreisverband Bremerhaven, hat die breite Diskussion des
vorliegenden Gutachtens zur Wiedereinführung der
Straßenbahn in Bremerhaven angemahnt. "Das Ergebnis
pro Bahn darf nicht totgeschwiegen werden", fordert
Jens Volkmann vom Vorstand des VCD Bremerhaven.
Das SONNTAGSJOURNAL veröffentlicht Auszüge aus dem Gutachten.
"SPD und CDU haben angekündigt, das Gutachten
solle öffentlich diskutiert werden. Doch bislang ist
nichts passiert", kritisiert Volkmann. Lediglich die
Grünen haben eine Podiumsdiskussion angesetzt. Diese
soll am Montag, 12. März, in der Aula, der Volkshochschule stattfinden.
Beginn ist 19 Uhr. Auf dem Podium werden Volkmann, Rainer Johannsmeier von der
Gutachter-Firma "TransTec" Hobby-Verkehrsplaner Heinz Janda,
Diplom-Ingenieur Heiko Jacobs und Dr. Carsten Hein von den Eisenbahnen-
und Verkehrsbetrieben Elbe-Weser (EVB) sitzen.
Die Gutachter von TransTec Hannover weisen in ihrer
Arbeit darauf hin, dass es zahlreiche Städte in der Größenordnung Bremerhavens
gebe, in denen eine Straßenbahn unterhalten und sinnvoll betrieben werde, ohne
dass dies die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Stadt
überschreite. So habe Oberhausen eine Straßenbahn
wieder eingeführt und damit große Erfolge erzielt. "Der
Anteil des öffentlichen Verkehrs an allen Fahrten stieg
innerhalb von lediglich drei Jahren um deutliche 50 Prozent auf nun
19,5 Prozent", so die Gutachter. Der Trend gehe zu schienengebundenen
Verkehren. Diese würden von Fahrgästen beispielsweise auf Grund besserer
Fahrzeiten und höherem Fahrkomfort als das höherwertige
Verkehrsmittel angesehen.
"Wohnbebauung verdichtet"
Als einen positiven Faktor für die Einführung der Straßenbahn führen die
Gutachter auf: "Bremerhaven weist eine Stadtstruktur auf, die
einer Erschließung durch den schienengebundenen Öffentlichen Personennahverkehr
sehr entgegenkommt. Die Wohnbebauung ist überwiegend verdichtet und über
Hauptachsen gut zu erschließen."
In den Berechnungen für ein Straßenbahnnetz in Bremerhaven geht TransTec von
einem Fahrgastpotential für Bremerhaven von 87000 pro Tag aus. Die Gesamtkosten,
die die Schaffung des neuen Schienennetzes und eines Betriebshofes sowie den
Kauf der Fahrzeuge beinhalten, belaufen sich auf rund 550 Millionen Mark.
Allerdings seien Fördersätze durch Land, Bund und EU von insgesamt
90 Prozent und mehr möglich. Die Betriebskosten beliefen sich laut TransTec
jährlich auf rund 65 Millionen Mark. Im Vergleich dazu die
Betriebskosten für ein verbessertes Busnetz: rund 59 Millionen Mark.
Aus Sicht der Gutachter bestehe in Bremerhaven die
Gefahr, dass der Busverkehr "auf die Funktion im Rahmen
der Daseinsvorsorge reduziert wird". Verbesserungen
seien hier nötig, um den Fahrgastrückgang der letzten Jahre zu beenden.
"Die jüngsten Beschlüsse zur Verlegung des Busverkehrs in der
Innenstadt lassen jedoch Zweifel aufkommen, ob die Zukunftsfähigkeit
des Öffentlichen Nahverkehrs auf diesem Wege gesichert werden kann",
findet TransTec.
"Diese Aussagen sollen nicht implizieren, dass nicht
auch mit einem verbesserten Bussystem eine höhere Nachfrage erzielt werden kann.
Es ist jedoch zu erwarten, dass massive Verbesserungen hier
schnell zu deutlichen Erhöhungen der Kostenunterdeckung führen, während eine
Straßenbahn mit steigenden Fahrgastzahlen kostengünstiger zu betreiben ist
(abnehmende Kostenunterdeckung)."
Die bestehenden Eisenbahnstrecken in Bremerhaven dienten dem regionalen
und überregionalen Verkehr. "Zur innerstädtischen
Erschließung tragen sie kaum bei", so TransTec.
Ein wichtiger Grund sei die "relativ geringe Frequenz der Züge".
Aus diesen Gründen sei die Wiedereinführung der Straßenbahn als
realistisch anzusehen. "Um die geschilderten
Ergebnisse zu erreichen, ist im Hinblick auf Investitionsförderung und
die Gestaltung des Wettbewerbsumfelds (Parkgebühren, Park & Ride-Anlagen)
massive Rückendeckung von Seiten der Kommunal- und Landespolitik sowie
-verwaltung erforderlich", betonen die Gutachter.
Kreis will Entscheidung abwarten
Kreis Cuxhaven (dbl).
Der kreis Cuxhaven will abwarten, welchen Beschluss die Bremerhavener Politik
zur Wiedereinführung der Straßenbahn fasst, bevor er über eine
Regionalstadtbahn nachdenkt. "Wenn es sich für Bremerhaven nicht lohnt,
lohnt es sich für unseren ländlichen Raum erst recht nicht", sagte
ein Sprecher.
Leserbriefe
Als Ex-Heilbronner erinnert mich die jetzige Diskussion in
Bremerhaven an die in Heilbronn Anfang der 90er Jahre.
Auch in Heilbronn gab es damals Widerstände seitens der
Stadtverwaltung, der Bedenkenträger im Rat und den
Stadtwerken Heilbronn (Betreiber des Stadtbusverkehrs). Die
Straßenbahn war in Heilbronn bereits Ende der 50er Jahre
mitsamt Schienen entfernt
worden. Nach jahrelangen Debatten und vielen Gutachten
setzte sich jedoch das Karlsruher Erfolgskonzept durch. Die
Strecke von Heilbronn nach Karlsruhe (vergleichbar mit der
nach Cuxhaven) befand sich vor der Betriebsübernahme
durch die AVG (Albtal-Verkehrs-Gesellschaft) ebenfalls
in einem maroden Zustand. Jetzt verkehren dort hochmoderne Stadtbahnwagen und
erschließen mit umsteigefreien Verbindungen und attraktiven
Tarifen bisher brach liegende Fahrgastpotenziale. Zwischenzeitlich
hat sich die Skepsis in Heilbronn in eine Aufbruchstimmung gewandelt.
Die Heilbronner Innenstadt wird zurzeit "renoviert", und die
nächste Ausbaustufe der Stadtbahn
ist bereits in Planung.
Jochen Frankenberger Bremerhaven
Meinung
Wer den Gedanken der Wiedereinführung einer Straßenbahn
in Bremerhaven von vornherein als Utopie bezeichnet, handelt
fahrlässig. SPD und CDU müssen jetzt in die öffentliche
Diskussion einsteigen, um beim Bürger nicht
den Eindruck zu erwecken, das Thema totschweigen zu wollen.
Das Gutachten sagt, dass die Wiedereinführung realistisch ist. Das
Projekt, das für eine echte Belebung der Stadt sorgen könnte,
leichtfertig zur Seite zu schieben, wäre fatal. Dirk Bliedtner
Abgedruckt waren eins der Liniennetze und zwei Ausbaustufen, vorerst mal
nur die Bildunterschriften:
So könnten die Straßenbahn-Schienen durch Bremerhaven
verlegt werden. Diese Variante, mit der insgesamt 92100
Einwohner "erschlossen" werden könnten, favorisieren die
Gutachter.
Die erste Ausbaustufe soll von Leherheide zum Hauptbahnhof führen.
Mit ihr wären laut TransTec 53900 Einwohner "erschlossen".
Die zweite Ausbaustufe. Mit ihr wären bereits 71 000 Einwohner
"erschlossen". Weitere drei Ausbaustufen würden folgen.
Ich schaue mal bei Gelegenheit, was man aus den Zeitungsbildern bzw.
meiner Schwarz-Weiß-Kopie des Gutachtens per Bildverarbeitung
rauskitzeln kann...
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